Dies ist das letzte Foto, das meine Digitalkamera heute aufgenommen hat, bevor sie das Zeitliche segnete. Kein Licht am Ende des Tunnels, von dem Menschen berichten, die eine Nahtoderfahrung hinter sich haben, kein Wiedersehen mit längst verstorbenen Lieben. Stattdessen: violette Balken. Was für ein trister Blick ins Jenseits. Ein Film wie „Flatliners“ (USA 1990) aus der Sicht einer Kamera würde bestimmt zum Flop.
Fünf Jahre hat die Canon PowerShot A70 ihren Dienst getan, die Bildqualität war, nun ja, immerhin besser als die meiner Handykamera. Wahrscheinlich habe ich sie einfach nur falsch bedient. (Über die Toten nur Gutes!) Was mich besonders schmerzt: dass die Bilder, die ich vor dem Exitus mit ihr aufgenommen hatte, nicht geeignet waren, ihren Lebenswillen zu stärken.
Dieses hier, es ist tatsächlich das letzte richtige Foto auf der Speicherkarte, entstand im Mai im Wiener Zentralfriedhof. Ein Todesengel hält Wache an einem Grab. Doch bald wird er verschwunden sein – denn die Sonne bricht gerade durch die Wolkendecke, man sieht es am Kraut am unteren Bildrand. Das wollte sie wohl nicht wahrhaben, die dumme Kamera, wie fixiert starrte sie wahrscheinlich monatelang auf die Kreatur aus dem Totenreich. Hätte ich doch nur den Fokus richtig eingestellt …