Zwischen den Stationen Mohrenstraße und Stadtmitte füllte sich der Wagen der Berliner U-Bahn-Linie U2 mit jungen Männern aus den umliegenden Bürohäusern. Abschätzig musterten sie gegenseitig ihre billigen Anzüge.
Einer von ihnen hatte sich frech zur Sitzbank vorgedrängt. Breitbeinig sitzend nahm er dort zwei Plätze ein, einen dritten beanspruchte eine 1,5-Liter-Wasserflasche, die er neben sich abgelegt hatte. Ganz sicher wirkte er in seiner provokativen Pose nicht. Den Blicken verärgerter Fahrgäste, die wegen ihm stehen mussten, wich er scheu aus.
Richtig nervös wurde er, als der Boss hereinkam. Vermutlich nicht sein Boss, auch nicht bloß der Boss von jemand anderem, es war der Boss an sich. Der Mann war Ende 50. Die Furchen in seinem Machtgesicht erzählten von einsamen Entscheidungen. Die Beulen auf seinem Rollkoffer aus Aluminium, den er mit Verachtung fürs Material in die Ecke gewuchtet hatte, berichteten von eiligen Taxifahrten zu Fernflügen, von gerade noch rechtzeitig erreichten internationalen Treffen.
Das heißt, sie taten dies, wenn man Lust hatte, es aus ihnen herauszulesen.
Der junge Mann jedenfalls machte große Augen. Und schon begann er zu flirten: Immer wieder blickte er in Richtung Boss und dann schnell wieder weg. Dass ihn dieser mit unbewegter Miene ignorierte, schien ihn noch anzustacheln. Bald war ihm eine mächtige Erektion gewachsen. Nicht in natura – die Wasserflasche hatte er, gebannt vom Anblick des Bosses, zwischen seine Leisten geklemmt, wo sie sich wie ein Dildo von 30 Zentimeter Länge erhob. Ein Phallussymbol.
Erst als der Boss zwei Stationen weiter wieder ausgestiegen war, entspannte sich der junge Mann. Beiläufig griff er zur Flasche zwischen seinen Beinen und nahm einen Schluck. Was das symbolisiert, will man lieber nicht wissen.