
Die unbekannte Schöne sagt Hallo oder etwas Ähnliches. Ich weiß es nicht, ich spreche kein Japanisch. Dass sie zuvor fast eine Minute lang geschwiegen und dem Betrachter des Videos (YouTube, Screenshot oben) dabei scheinbar in die Augen geschaut hat, ist eine Dienstleistung oder – mehr noch – Angebot einer Verhaltenstherapie.
Denn das Zielpublikum des Videos, das der japanische Unterhaltungskonzern Avex mit weiteren virtuellen Stelldicheins mit jungen Frauen auf der DVD „Miteru dake“ (Just Looking) vertreibt, sind anscheinend männliche Wesen gleichen Alters, die zu viel Zeit vor dem Computer und zu wenig mit Mitmenschen verbringen.
Projektion von Angst und Sehnsucht
Geeks oder Nerds mit Kontaktschwierigkeiten, in Japan als Hikikomori bekannt, sollen durch dieses visuelle Sozialtraining lernen, Blickkontakt auszuhalten, vor allem mit Frauen. Auf der Website der Firma sind noch Beispiele anderer „Sozialhelferinnen“ zu sehen, darunter ein jüngeres Mädchen und eine Seniorin.
Eine Frau europäischer Herkunft (YouTube) ist ebenfalls dabei. Die sagt allerdings nichts und schaut nur. Vermutlich kann sie auch kein Japanisch. Oder sie muss sich konzentrieren. Es ist schließlich gar nicht so leicht, eine Minute stillzuhalten.
Die sterile Laborsituation, in der die „Miteru dake“-Ladys präsentiert werden, herausgelöst aus jeder sozialen Umgebung und Interaktion, macht jedenfalls deutlich, dass die Macher der DVD auch schon schwere Zeiten hinter sich haben. Die sehnsuchtsvoll ausgemalte und zugleich gefürchtete Frau kann für sie gar nicht mehr anders erscheinen denn als Projektion auf einem Silver Screen. Lebenshilfe sieht anders aus.