Die Text-Bild-Schere ist das, was die Macher des Nachrichtenfernsehens fürchten: Die gesprochenen Texte, Moderationen, Kommentare und Berichte, erläutern nicht, was zu sehen ist, die Bilder illustrieren nicht, was gesprochen wird – die Zuschauer sind orientierungslos und „steigen aus“. Die meisten Text-Bild-Zuordnungen sind aber nicht selbstverständlich, sie unterliegen Konventionen, die vom Publikum gelernt werden müssen wie Ausdrücke einer Sprache.
Der Zoom-out von der SPD-Fahne auf dem Willy-Brandt-Haus in Berlin, bis das ganze Gebäude zu sehen ist, ist zum Beispiel eine Standardeinstellung, mit der ein TV-Bericht über die Sozialdemokraten beginnt. Die Assoziation dieses stilistischen Mittels mit Nachrichten, die die Partei betreffen, hat der Zuschauer eingeübt. Kleine Abweichungen vom Bekannten können erzählerische Wirkung erzielen, sie dienen gelegentlich als versachlichte Affekte in der Darstellung des öffentlichen Gesichts der Partei: Die Fahne flattert im Wind (die Parteispitze sieht sich Vorwürfen ausgesetzt), Regen ergießt sich vor der Fassade der Parteizentrale (die Genossen im Umfragetief).
Was Fernsehjournalisten in Krisenregionen vor Schwierigkeiten stellt: wenn Aufnahmen entweder nicht zu bekommen sind oder das, was berichtenswert erscheint, nicht bebildern können. Wie filmt man lähmende Furcht und endloses Warten der Zivilbevölkerung in einem afrikanischen Bürgerkriegsgebiet? (Sagte die ehemalige Afrika-Korrespondentin Bettina Gaus in einem Interview zu den Schwierigkeiten der Krisenberichterstattung.)
Der Experte, der ins Fernsehstudio geladen wird, ist auf ähnliche Weise dazu da, Sachverhalte zu bebildern, die Text-Bild-Schere zu überbrücken. Der Experte ist eine Funktionsstelle in der TV-gerechten Aufbereitung der Nachrichtenlage, wenn mehr als Verlautbarungsjournalismus gefragt ist. Der Moderator muss sich „leer machen“, er ist Durchgangsstation für Nachrichtenströme, News vom Flugzeugabsturz bis zum Wetterbericht, denen er als Person möglichst wenig Widerstand entgegenbringen soll.
Der Experte ist dagegen „angefüllt“, er ist zumindest der Möglichkeit nach eine Quelle von Hintergrundinformation, Spezialkenntnissen, Wissen, das nicht per se „telegen“ ist. Sein Fernsehauftritt muss zwischen beiden Feldern vermitteln. Seine körperliche Präsenz, Gestik und Mimik, liefert die Bilder, die seine Worte illustrieren. Der Experte gibt dem „Thema ein Gesicht“.
Profis, die oft ins Studio eingeladen werden, wie der Politikwissenschaftler Herfried Münkler, wissen um die Grundlagen des Nachrichtengeschäfts. Und sie spielen ihre Rolle darin routiniert. „Asymmetrischer Krieg“, „postheroische Gesellschaften“ und so weiter, der Kriegsexperte von der Humboldt-Universität erzählt eigentlich immer dasselbe (in Artikeln für Printmedien ebenfalls).
Warum auch nicht, das sind seine Kernthesen, könnte man sagen. Aber gleichzeitig sind es auch Slogans, die sich auf seine öffentliche Person als „Ein-Mann-Think-Tank“ (Jörg Lau, „Zeit“, 2003) wie Werbesprüche auf eine Marke beziehen – Wiedererkennbarkeit garantiert.