• Zum Inhalt springen
  • Zur Fußzeile springen

Quo·28

Monologe und schlaue Links. Ein Blog.

  • Start
  • Über
  • RSS
Aktuelle Seite: Start / Texts for Robots / Experten in der Text-Bild-Schere

Experten in der Text-Bild-Schere

28. Oktober 2008

Die Text-Bild-Schere ist das, was die Macher des Nachrichtenfernsehens fürchten: Die gesprochenen Texte, Moderationen, Kommentare und Berichte, erläutern nicht, was zu sehen ist, die Bilder illustrieren nicht, was gesprochen wird – die Zuschauer sind orientierungslos und „steigen aus“. Die meisten Text-Bild-Zuordnungen sind aber nicht selbstverständlich, sie unterliegen Konventionen, die vom Publikum gelernt werden müssen wie Ausdrücke einer Sprache.

Der Zoom-out von der SPD-Fahne auf dem Willy-Brandt-Haus in Berlin, bis das ganze Gebäude zu sehen ist, ist zum Beispiel eine Standardeinstellung, mit der ein TV-Bericht über die Sozialdemokraten beginnt. Die Assoziation dieses stilistischen Mittels mit Nachrichten, die die Partei betreffen, hat der Zuschauer eingeübt. Kleine Abweichungen vom Bekannten können erzählerische Wirkung erzielen, sie dienen gelegentlich als versachlichte Affekte in der Darstellung des öffentlichen Gesichts der Partei: Die Fahne flattert im Wind (die Parteispitze sieht sich Vorwürfen ausgesetzt), Regen ergießt sich vor der Fassade der Parteizentrale (die Genossen im Umfragetief).

Was Fernsehjournalisten in Krisenregionen vor Schwierigkeiten stellt: wenn Aufnahmen entweder nicht zu bekommen sind oder das, was berichtenswert erscheint, nicht bebildern können. Wie filmt man lähmende Furcht und endloses Warten der Zivilbevölkerung in einem afrikanischen Bürgerkriegsgebiet? (Sagte die ehemalige Afrika-Korrespondentin Bettina Gaus in einem Interview zu den Schwierigkeiten der Krisenberichterstattung.)

Der Experte, der ins Fernsehstudio geladen wird, ist auf ähnliche Weise dazu da, Sachverhalte zu bebildern, die Text-Bild-Schere zu überbrücken. Der Experte ist eine Funktionsstelle in der TV-gerechten Aufbereitung der Nachrichtenlage, wenn mehr als Verlautbarungsjournalismus gefragt ist. Der Moderator muss sich „leer machen“, er ist Durchgangsstation für Nachrichtenströme, News vom Flugzeugabsturz bis zum Wetterbericht, denen er als Person möglichst wenig Widerstand entgegenbringen soll.

Der Experte ist dagegen „angefüllt“, er ist zumindest der Möglichkeit nach eine Quelle von Hintergrundinformation, Spezialkenntnissen, Wissen, das nicht per se „telegen“ ist. Sein Fernsehauftritt muss zwischen beiden Feldern vermitteln. Seine körperliche Präsenz, Gestik und Mimik, liefert die Bilder, die seine Worte illustrieren. Der Experte gibt dem „Thema ein Gesicht“.

Profis, die oft ins Studio eingeladen werden, wie der Politikwissenschaftler Herfried Münkler, wissen um die Grundlagen des Nachrichtengeschäfts. Und sie spielen ihre Rolle darin routiniert. „Asymmetrischer Krieg“, „postheroische Gesellschaften“ und so weiter, der Kriegsexperte von der Humboldt-Universität erzählt eigentlich immer dasselbe (in Artikeln für Printmedien ebenfalls).

Warum auch nicht, das sind seine Kernthesen, könnte man sagen. Aber gleichzeitig sind es auch Slogans, die sich auf seine öffentliche Person als „Ein-Mann-Think-Tank“ (Jörg Lau, „Zeit“, 2003) wie Werbesprüche auf eine Marke beziehen – Wiedererkennbarkeit garantiert.

Update: 30. September 2017 Kategorie: Texts for Robots

Über das Blog

Hier finden Sie Lesetipps zu Medien- und Netzthemen. Das Blog hat lange geschlummert. 2018 ist es neu an den Start gegangen.

Mehr lesen Über dieses Blog

Neu im Blog

Fußballwissen ist Herrschaftswissen

5. August 2019

Mitteilsame Männer mit enzyklopädischem Fußballwissen bedürfen nur eines Anpfiffs, und schon beginnen sie ihren Vortrag: Vereins- und Spielernamen, Jahreszahlen, Siege und Niederlagen. Ihr Wissen entstammt nicht den exakt erinnerten gesammelten Staffeln der „Sportschau“. Die Quelle der Fußballexperten ist der „kicker“, heute genauso wie in jedem Jahrzehnt davor.

Teilen und herrschen: Die Social-Media-Kampagne der Nasa

5. August 2019

Großzügig teilt die US-Raumfahrtbehörde Nasa Bilder mit der Öffentlichkeit. Das machte auch die vielen hübsch gestalteten Multimedia-Storys zum Jubiläum der ersten Mondlandung möglich.

Mehr neue Texte

  • Positive Gedanken über YouTubes Pop-up-Schilderwald
  • Googles Project Zero: Rigoros gegen Sicherheitslücken
  • Wie Dinosaurier die Furcht vor Asteroiden ausbeuten
  • Mit Gandhi gegen die Kampfmäuse-Verschwörung

Footer

Seiten

  • Allzeit beliebte Texte
  • 280 Zeichen
  • Tools
  • Seitenplan

Suche

© 2008–2025 · Quo 28 · Datenschutz · Impressum