„Ich sitze an meinem Klapprechner und folge Verweisen durch das Weltnetz.“ Wie bitte, was sagt der da? Nun, ich versuche, dem Englischen entlehnte Wörter zu vermeiden, und verwende stattdessen deutsche – im Dienste des Reinheitsgebots.
Für alle, denen es beim Sprachgebrauch an Patriotismus fehlt, hier die Übersetzung: „Ich sitze an meinem Laptop und folge Links durch das Internet.“
Mein obiges Beispiel ist eine Provokation. Denn es enthält mit „Klapprechner“ ein Wort, das die Stiftung Deutsche Sprache auf ihrer Website Aktion Lebendiges Deutsch anstelle des Anglizismus empfiehlt, und mit „Weltnetz“ und „Verweise“ zwei Ausdrücke, die bei Rechtsradikalen beliebt sind, um sich gegen die „Amerikanisierung unserer Kultur“ zu schützen.
Minderwertigkeitsgefühle
Muss man tatsächlich selbst ernannte Sprachbewahrer mit Deutschtümlern und Schlimmeren in einen Topf werfen? Ich hoffe nicht. Vielleicht ist auch wahr, was der Kabarettist Georg Ringsgwandl mutmaßt, dass diese Vereinigung eine „Freizeitbeschäftigung von Germanisten ist, die irgendwie nur, was weiß ich, zu viel Zeit haben, die Ärger haben mit ihrer Frau …“
Aber auf der Website der Aktion Lebendiges Deutsch stehen Sachen, die seltsam anmuten:
Wir sollten aufhören, uns für die deutsche Sprache zu genieren. Sie ist eine der großen Kultursprachen des Abendlands, die meistgesprochene Sprache in der Europäischen Union und nach Englisch und Spanisch die meistgelernte Fremdsprache der Welt – ja sie ist das Sammelbecken der Weltliteratur …
Was für ein Gedanke: dass die Leute, die „Coffee to go“ anbieten oder bestellen, vom „Updaten“ ihres Virenschutzprogramms reden statt vom „Aktualisieren“, dies tun, weil sie sich für die „deutsche Sprache genieren“. Und nicht, weil sich diese Ausdrücke einfach mit der Zeit eingebürgert haben.
Im Zweifelsfall ist ein Anglizismus, den Menschen mehrheitlich verstehen, einfach der präzisere Sprachgebrauch. All die deutschen Entsprechungen, die sich Sprachwächter einfallen lassen, stiften dagegen Verwirrung. Welcher Angestellte versteht schon, was gemeint ist, wenn er zu einer „Denkrunde“ eingeladen wird statt zum Brainstorming?
Tabubruch als Maske von Rassisten
Was mich stört: Die Anspielung auf einen angeblichen nationalen Minderwertigkeitskomplex, gegen den man sich tapfer zur Wehr setzen müsse, gehört zum Repertoire mehrheitlich unangenehmer Zeitgenossen. Sie ist Teil eines perfiden Argumentationsrituals, bei dem sich der Sprecher als Opfer ausgibt, als Angehöriger einer verfolgten Minderheit, dem das scheinbar Normalste auf der Welt wegen seiner Nationalität verboten ist: Grässliches und Reaktionäres unwidersprochen von sich zu geben.
Diese Methode sogenannter Tabubrecher ist seit Anfang der 90er-Jahre bekannt, als sich zum Beispiel unverbesserliche Rassisten von einer eingebildeten hegemonialen Meinungsmacht der Political Correctness umzingelt sahen. Und die wollte ihnen doch tatsächlich das gute alte N-Wort verbieten.
Schadenfreude als Exportschlager
Zu Zeiten der Finanzkrise deutet sich übrigens eine Gegenbewegung beim Sprachexport an: Ein Schreiber der englischsprachigen „Financial Times“ berichtet, dass sich in den britischen Medien immer mehr deutsche Ausdrücke in Artikeln zum Börsencrash verbreiten – prominent darunter das Wort „Schadenfreude“, für das es kein englisches Äquivalent gebe.
Ein kurzer und bündiger Begriff für „the delight in the misery of others“ ist doch endlich mal ein Exportschlager, auf den man sich etwas einbilden kann. Dass er heute in sprachlicher Form und nicht „tatkräftig“ geliefert wird, kann getrost als Fortschritt der Kulturnation Deutschland betrachtet werden.