Das ist hart für die Punkszene: Das Watchblog NPD-Blog.info berichtet, dass der Göttinger Rechtsextreme Timo Schubert, Schlagzeuger der Rechtsrock-Band Agitator und Betreiber eines Versandhauses für szenetypisches Outfit, sich den Begriff „‚Hardcore‘ als Neonazi-Marke markenrechtlich schützen“ hat lassen, „allerdings läuft noch eine Widerspruchsfrist dagegen“. Mindestens eine Abmahnung an einen anderen Onlineshop ging aber schon raus, schreibt die „taz“ und beklagt: „Neonazis plündern linke Subkultur“.
(Update: Die Wortmarke „Hardcore“ wurde zum 28. Dezember 2009 auf die Initiative einer antifaschistischen Gruppe hin wieder gelöscht. Mehr dazu bei Störungsmelder.)
Hardcore-Musik hat ihren Ursprung eigentlich in der linken Szene. Sie entstand Ende der 1970er-Jahre in den USA als schnelle und brachiale Weiterentwicklung von Punkrock und hatte eine eindeutig antirassistische Ausrichtung. Kultbands wie Minor Threat oder Black Flag haben bis heute ganze Generationen von Punk- und Hardcore-Bands geprägt. Seit ein paar Jahren gibt es jedoch auch Neonazi-Bands, die diese Musik spielen, hinterlegt mit rassistischen und antisemitischen Hasstexten.
Wer sich Videos von den martialischen Auftritten des Black-Flag-Sängers Henry Rollins in den frühen 80er-Jahren ansieht, ahnt allerdings, warum Hardcore-Punk als eine Weise, Männlichkeit, Härte und den Gesellschaftskrieg zu inszenieren, für Mannmänner jeder politischen Ausrichtung attraktiv geworden ist. (Auf YouTube: Rollins beim Faustkampf während eines Konzerts.)
Aus der kalifornischen Hardcore-Szene der 80er ist zum Beispiel die berüchtigte Gruppe Public Enemy Number 1 (PENI) hervorgegangen, eine „violent white supremacist gang“ mit rassistischer Ideologie, wie die Anti-Defamation League berichtet.
Mit „Straight Edge“ haben die heutigen PENI-Mitglieder, die vor allem in den Gefängnissen des US-Bundesstaats an der West Coast Banden bilden, jedoch nichts mehr zu tun – das „middle-class uprising“ hat in ihrem Fall in den Drogenhandel geführt.
Die Bürgerschrecks vom nationalen „schwarzen Block“
Die Debatte über die Aneignung eines „links“ codierten Radical Chic durch eine rechtsradikale Jugendkultur wird schon länger geführt. Auch Teile der rechten Szene verfolgen die Entwicklung mit gemischten Gefühlen, wie man auf ihren Websites und Foren mitverfolgen kann.
Der Aufmarsch von „Autonomen Nationalisten“ als „schwarzer Block“ bei Kundgebungen, etwa zum „nationalen Antikriegstag“ in Dortmund, sabotiert nämlich die Versuche der NPD, sich einen bürgerlichen Anschein zu geben. Der NPD-nahe Liedermacher Frank Rennicke wird dann schon mal von Amateurfilmern unter den „Kameraden“ vor die Kamera geholt, damit er die militanten Bürgerschrecks im schwarzen Kapuzenpulli verurteilt.
Was deren Slogans betrifft, ist für Außenstehende kaum ein Unterschied zu linksextremen Antiimperialisten auszumachen. „USA – internationale Völkermordzentrale“, skandieren die Neonazis, die bei rechtsextremen Demonstrationen medienwirksam vorneweg marschieren. Vorgeblich übt man Solidarität mit den Palästinensern und wettert gegen „Zinsknechtschaft“. Überhaupt sind ein vulgärer Antikapitalismus und eine populistische Globalisierungskritik Aufhänger, um neue Mitläufer zu gewinnen.
In Propagandavideos mit Demobildern, die man dazu im Netz findet, wird der Bogen von Klagen über die Globalisierung hin zu Verschwörungstheorien und Judenhass meist in wenigen Sekunden geschlagen.
Keine Angst vor „Überfremdung“ – Neonazis üben den Wild Style
Ein so bezeichnetes „Mobilisierungsvideo“ zum „Nationalen Antikriegstag“ im September 2007, das im Vorfeld auf YouTube aufgetaucht war und auf der Website der Demoorganisatoren gutgeheißen wurde, hat mich damals besonders ratlos gemacht. (Es wurde mittlerweile wieder gelöscht.)
Erst waren in dem Video Gräuelbilder von Dresden bis Abu Ghraib zu sehen, mit schleppendem elektronischem Beat unterlegt, dann wuselten Kapuzenmänner zum poppigen Punk von Offspring durch die Straßen, klebten Sticker und sprühten Graffiti auf Häuserwände. Alles zackig geschnitten wie ein MTV-Videoclip. Dieser rechte „Wild Style“, zumindest visuell orientiert an der Selbstinszenierung von Hip-Hop-Gruppen, hatte offensichtlich keine Angst vor „Überfremdung“.
Was ich merkwürdig fand: dass die Videomacher den Song „The Kids Aren’t Alright“ von Offspring als Musikuntermalung für die Leistungsschau ihrer Kopisten-Skills ausgewählt hatten. Eben diesen Titel hatte auch der „Spex“-Artikel (Nr. 11/1992), mit dem der Pop-Theoretiker Diedrich Diederichsen Anfang der 90er-Jahre einen „Abschied von der Jugendkultur“ verkündet hatte.
Der Anlass: Bei den Ausschreitungen von Rostock-Lichtenhagen hatten Beteiligte des rassistischen Mobs Versatzstücke der Styles „linker“ Subkulturen getragen – von Grunge bis Hip-Hop – und damit massiv gegen die Kleiderordnung der bisherigen Popkultur und deren Lesbarkeit verstoßen.
Doch das ist gewiss nur ein Zufall. „Spex“-Leser würde ich in diesem politischen Lager eher nicht vermuten.