Für Bücher gebe ich nicht wenig Geld aus. Trotzdem schätze ich die Google-Buchsuche. Gelegentlich, wenn ich auf der Suche nach einem Zitat aus einem wissenschaftlichen Werk bin, tippe ich erinnerte Teile daraus in das Suchfeld – und nicht selten werde ich fündig.
Es ist überraschend, wie weit die Digitalisierung gerade englischsprachiger Bestände schon fortgeschritten ist. Dabei handelt es sich ausnahmslos um Bücher, die ich ansonsten höchstens in Bibliotheken einsehen könnte.
Nicht jeder wird in meinen Lobgesang auf die Zugänglichkeit von Literatur im Internet mit einstimmen. Gestern wurde mir per E-Mail der öffentliche Aufruf „Für Publikationsfreiheit und die Wahrung der Urheberrechte“ weitergeleitet. Verantwortlich zeichnen die Verleger Manfred Meiner, Vittorio Klostermann und KD Wolff sowie der Heidelberger Literaturwissenschaftler Roland Reuß und bitten um eine Beteiligung.
Im Appell heißt es:
Das verfassungsmäßig verbürgte Grundrecht von Urhebern auf freie und selbstbestimmte Publikation ist derzeit massiven Angriffen ausgesetzt und nachhaltig bedroht. International wird durch die nach deutschem Recht illegale Veröffentlichung urheberrechtlich geschützter Werke geistiges Eigentum auf Plattformen wie GoogleBooks und YouTube seinen Produzenten in ungeahntem Umfang und ohne strafrechtliche Konsequenzen entwendet … Die Unterzeichner appellieren nachdrücklich an die Bundesregierung und die Regierungen der Länder, das bestehende Urheberrecht, die Publikationsfreiheit und die Freiheit von Forschung und Lehre entschlossen und mit allen zu Gebote stehenden Mitteln zu verteidigen.
Zu den Unterzeichnern zählt auch Klaus Theweleit, Autor und Kulturwissenschaftler aus Freiburg, von dem sich mehrere Bücher in meinem Besitz befinden. Nur eines nicht, „Das Land das Ausland heißt“, eine Essaysammlung von 1995.
Und genau diesen Band hatte ich vor Längerem dringend gesucht, um eine Textstelle daraus, die ich woanders zitiert fand, zu verifizieren. Der Buchhändler sagte mir damals, das Buch sei nicht mehr erhältlich. In Bibliotheken, die ich aufsuchte, war es entweder als vermisst gemeldet oder für Monate verliehen.
Ich möchte nicht an diesem, meinem Fall das Pro und Contra zur Digitalisierung von wissenschaftlichen Werken aufhängen. Aber der Satz, mit dem der Appell zum Urheberrecht schließt, stellt sich für mich anders dar als für die Verfasser.
Die Freiheit von Literatur, Kunst und Wissenschaft ist ein zentrales Verfassungsgut. Verlieren wir sie, verlieren wir unsere Zukunft.
Ein Buch wie „Das Land das Ausland heißt“ – vergriffen, aus Bibliotheken verschwunden und eine Neuausgabe unwahrscheinlich – hätte ohne seine Speicherung in einem digitalen Archiv keine Zukunft mehr als Quelle von Wissen.
Update, 24. März: Matthias Spielkamp, Verfasser des Immateriblog, schreibt auf Perlentaucher.de eine Reaktion auf den „Heidelberger Appell“ von Reuß und seinen Mitstreitern: „Ihre Argumentation ist haarsträubend, voller Fehler und gefährlich.“ Darin geht es auch um das Thema „Open Access“, das mir bisher nicht geläufig war.