Wie viele elektronische Ich-Mikroben soll man sein?
Malik ML Williams: „236/365: Where’s Malik-o?“ (by-nc)
Nach den ersten drei Tweets wusste ich schon: Twitter ist genau mein Medium. Die Beschränkung auf 140 Zeichen verpflichtet auf Präzision; die Schnelligkeit und Bruchstückhaftigkeit kommt der Weise entgegen, wie Informationsströme mich als datenverarbeitendes System durchqueren: beim Lesen eines Buches und auf dem Computermonitor zu Hause, beim Recherchieren im Redaktionsbüro, auch beim Wahrnehmen von Fremden auf der Straße.
Das soll keine freudige Bejahung dieses Zustands als Medienmensch sein, es ist zunächst eine Bestandsaufnahme – und eine Aufforderung, auch den kleinsten Erscheinungen, die meine Aufmerksamkeit erregen, Beachtung und Bearbeitung zukommen zu lassen.
Gewiss, mit der Selbstvertextung im Netz reagiert man auf den Aufruf an jedermann, kreativ, ein Künstler zu sein. Damit und mit der Vervielfältigung von Ich-Mikroben in sozialen Netzwerken zeigt man zunächst einmal nur eines: dass man willens ist, sich ans Flüchtige anzupassen, flexibel, aber nicht unmotiviert zu sein, kommunikativ, aber nicht aufdringlich. Ein Freelancer, der zumindest so tut, als sei er voll beschäftigt.
Das klingt vielleicht negativer, als es ist. Wer wünscht sich schon ins Couchpotato-Dasein zurück, am sogenannten Feierabend als Konsument vor dem Empfangsgerät der Einwegkommunikation?