Wortneubildungen mögen witzig scheinen. Doch ohne Geschick verwendet, verwandeln sie einen Text in einen Rummelplatz.
Ich bin kein Freund von Neologismen, auf Deutsch: Wortneuschöpfungen, in journalistischen Texten. Wenn ich in der Redaktion an Artikeln anderer sitze, dann versuche ich oft, die Autoren zu Änderungen zu bewegen.
Ich weiß, dass Neubildungen eine Antwort auf die Schwierigkeit sind, auf gedrängtem Raum informativ und zugleich witzig zu schreiben. Nicht selten zeigen diese Ausdrücke aber eine Selbstverliebtheit des Schreibers und sein Entzücken über den kleinen sprachlichen Einfall, den er mal eben hatte, die der Ökonomie seines Textes geradezu entgegenlaufen.
Zu viel Aufmerksamkeit erhascht das skurril zusammengesetzte bis verdrehte Wort, lenkt sie dorthin, wo sie eigentlich nichts zu suchen hat. Extremfälle von Neuschöpfungen, die mit Niedlichkeit und Retro-Anklängen spielen, bezeichne ich als Pril-blumige Sprache. Richtig erkannt: „Pril-blumig“ ist genau dafür ein Beispiel.
Fremdwörter aus der Fantasie
Andere neu erfundene Wörter tun dagegen eher wichtig, geben sich fremdwortartig wissenschaftlich, obwohl sie allein der Fantasie des Verfassers entsprungen sind. Als verbale Nebelwerfer verhüllen sie dann, dass Unkenntnis oder Banalitäten hinter ihnen stecken.
Eine Fundgrube für solche Wortneubildungen sind immer wieder Pressetexte aus Kunst und Kultur – ich vermute dahinter Uni-Abgänger, die sich in PR-Jobs mit Legitimationsproblemen herumschlagen.
Bei aller Strenge macht es mir Spaß, täglich die Auswertung von Neologismen durch die Wortwarte zu lesen, ein Projekt von Lothar Lemnitzer. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften.
Dazu werden die Internet-Ausgaben von deutschen Zeitungen durchsucht und neue Wortbildungen festgehalten. Zum Vorschein kommt verbale Neonreklame wie „Selbstanschießer“, „Wichtigesser“, „Frauenabzocke“, „Gernsehclub“.