Über Hippies, anarchische Katzen und Leonard Cohen im Solarium: eine Sammlung von Momenten in meinem Berliner Bezirk.
Widerstand. Zwischen den Treppenaufgängen zum U-Bahnhof Eberswalder Straße proklamiert ein hochgewachsener Punk erregt: „Katzen sind Anarchisten, die kann man nicht erziehen.“ Dabei zerrt er seinen Hund an der Leine immer wieder zu sich. Seine einzige Zuhörerin, eine gebrechlich wirkende, alte Dame, zuckt unter seiner Stimme zusammen. Sie entgegnet nichts, sie stützt sich auf einen Rollwagen.
Internationale. Im China-Imbiss beim S-Bahnhof Prenzlauer Allee versucht ein schlacksiger Mann den Verkäufer in ein Gespräch über den Kommunismus zu verwickeln. Der erträgt es mit stummen Nicken und verpackt derweil die Glutamat-gesättigte Pampe in Alufolie und Plastik. Der Aktivist besteht darauf, sich mit Händeschütteln zu verabschieden.
Solidarität 1. Eine dick in grobe Strickware eingewickelte junge Deutsche betritt einen von Türken geführten Falafelladen in der Prenzlauer Allee. An der Tür hält sie kurz inne und sagt mit klarer Stimme: „Salam Aleikum.“ Der Mann hinter der Theke wischt sich den Schweiß aus dem Gesicht und wartet regungslos auf die Bestellung. Es ist nach Mitternacht, er steht schon seit Vormittag dort.
Hedonismus. Ein Althippie mit langen Dreads monologisiert lauthals im S-Bahn-Wagen Richtung Schönhauser Allee. Zuerst verspricht er den Fahrgästen, in LSD-Träumen auf sie zu warten. Dann wettert er gegen schöne Frauen, die nur auf Geld aus seien. Gegen die müssten sich die Männer verbünden.
Aufstand. Wütende Schreie nach Mitternacht auf der Danziger Straße: „Zunge rausreißen, Gedärme rausschneiden“. Der kleine Mann, der hier tobt, trägt einen schwarzen Kapuzen-Sweater. Der gigantische Koffer neben ihm reicht fast bis zu seiner Brust. Sein Ärger hat einen Grund: Taxi um Taxi fährt vorbei, ohne zu halten. Das Schreien erhöht seine Chancen auf Beförderung nicht.
Solidarität 2. Eine Frau mit Dreads sitzt an der Straßenbahn-Haltestelle Danziger Straße in einem massiven Opalehnsessel. Sie spricht die aussteigenden Fahrgäste an, die an ihr vorbeidrängen. Sie will kein Geld, sie bittet um einen Kaugummi. Kann sie haben.
Ausverkauf. Im Solarium Ecke Kollwitz-/Danziger Straße läuft Leonard Cohen. Die blonde Frau mit dem offenen Gesicht hinter der Ladentheke sagt, seine Stimme sei so beruhigend. Auf die Texte dürfe man allerdings nicht achten. In der Kabine verliert sich der traurige, schleppende Gesang im Brummen der Röhren.