Ich habe mehrere Jahre in Berlin mit Kohle geheizt. Im ersten Winter nach dem Umzug saß ich noch gebannt vor der geöffneten Ofenklappe, warf in die Glut, was nur irgendwie brennbar war. Doch die Faszination war bald verdampft. Briketts aus dem Keller in den vierten Stock zu schleppen erinnert nicht mal entfernt an Lagerfeuerromantik. Andere scheuten die Mühe und blieben lieber gleich im Bett.
Rauch hing in den frühen 90er-Jahren über den Straßen im Prenzlauer Berg, färbte den Berliner Winter trüber, als er eh schon ist. Hie und da verschmorten Mülleimer, in denen heiße Asche gelandet war, manchmal den ganzen Tag lang. Was niemand so recht interessierte. Die Feuerwehr aber war in der Frontstadt im Dauereinsatz.
In der Altbauwohnung legte sich Schwefel auf jedes Möbelstück, denn richtig dicht waren die Öfen selten, und für Briketts besserer Qualität fehlte das Geld. Wusch man sich abends die Haare, was ratsam war, wirkte das Waschbecken wie von Abwasser verdreckt. Ein Leben im Schlot.
Die Kohlenhändler, die damals noch das Straßenbild im Bezirk prägten, schienen einem Charles-Dickens-Roman entstiegen. Und von den bulligen Männern, die das Heizmaterial auslieferten, mit bloßen Händen die Treppen hinauf- oder hinuntertrugen, hieß es, sie würden betrügen. Man müsse sie genau kontrollieren, warnten die Stadtzeitungen den frisch Zugezogenen. Doch wer ihnen bei der Arbeit zusah, konnte die Schummelei fast nicht übelnehmen.
Es war eine Zeitreise, zurück in die heiße Phase der Industrialisierung Deutschlands zur Jahrhundertwende. Wie man Braunkohle mit Raumfahrt-Technologie assoziiert, wie dieser westdeutsche TV-Spot aus den 50er-Jahren, ist mir trotzdem ein Rätsel. (Edit: Das Video wurde gelöscht.) Ich vermisse den Kohleofen nicht, aber bei der Sitzung, in der man sich diese seltsame Werbung einfallen ließ, wäre ich gern dabei gewesen.