Was von der Woche übrig bleibt: ein Video und ein paar Links, die ich noch loswerden möchte.
1. Kontrollverlust: Die oben eingebundene Montage von Filmszenen, in denen Nicolas Cage durchdreht, finde ich sehr lustig (via Filmtagebuch). Update: Das Video wurde gelöscht.
2. Subkultur: Das Label „Hipster“ wurde in den 50er-Jahren für eine weiße Boheme in den USA geprägt, die sich aus dem erdrückend empfundenen Konformismus ihrer Mittelschicht-Ghettos in die aufregend unsicheren Viertel von Afroamerikanern aufmachte, um Jazz, schnelle Kicks und „apokalyptische Orgasmen“ (Norman Mailer) zu suchen. Das Stichwort: „positiver Rassismus“. Warum man Jahrzehnte nach den Beatniks eher harmlose Agenturniks in skinny Jeans und mit albernen Brillen damit bezeichnet, ist mir entgangen. Im Netz wurden sie jedenfalls von vielen zum Lieblingsfeind erkoren, Hipster-Bashing hat sich dort zu einer Konsenskultur entwickelt. Fiese Rants gegen Berliner Vertreter dieser Spezies liest man etwa auf Ich werde ein Berliner. Fabian Soethof hat ein Interview mit dem Autor des Blogs veröffentlicht, der unter dem Pseudonym Wash Echte auftritt (via 6 vor 9, ausgewählt von Ronnie Grob).
3. Islam: „taz“-Kolumnistin Kübra Yücel schreibt in ihrem Blog Fremdwörterbuch über eine Auswirkung der Migrations-Debatte: dass der Islam auf einer symbolischen Ebene zur „Hautfarbe“ gemacht wird.
Die Debatten und Diskussionen drehen sich nicht um den Islam als Religion, sondern um die Muslime als Ethnie. Der Islam wurde ethnisiert.
Ein Plädoyer gegen die „Zwangsislamisierung“ von Einwanderern aus der arabischen Welt und ihrer Kinder (via Achtmilliarden).
4. Panikmache: Nach der Terrorwarnung des Innenministers gingen Erregungswellen durch Netzpolitik-Blogs, die ich verfolge. Neben berechtigter Kritik an der Panikmache durch Politik und Medien las man vor allem in den Kommentaren mal wieder die üblichen Hirngespinste zu Verschwörungen. Nur ein O-Ton, gefunden auf Twitter: „Die Regierung hat so oft ‚Feuer!‘ gerufen, dass sie bald gezwungen sein wird, selbst eins zu legen.“ Die Verbreitung, die diese simpel gestrickten Polit-Thriller-Drehbücher finden, wie glaubhaft sie für viele anscheinend sind und dass ihnen von Netzaktivisten kaum widersprochen wird, ist beunruhigend. Über die „Hysterie-Symbiose“, zu der nicht nur Politiker, denen jeder Anlass zum Durchdrücken von Sicherheitsgesetzen recht ist, und die Sensations-Presse beitragen, sondern eben auch Blogger und ihre Kommentatoren, regt sich Jens Berger im Spiegelfechter auf (via Carta).
5. Nachlese: Meine Erwartung, dass die Spaß-Guerilla Essener Google-Street-View-Fans über das Buschfeuer im Web 2.0 hinaus zum großen Aufreger wird, hat sich nicht erfüllt. Jenseits von Trash-Medien und IT-News war wenig davon zu lesen. Offenbar funktionieren die redaktionellen Filterungssysteme doch.
Ja, genau. – Zum Thema Hipster-Bashing empfehle ich die alte, ziemlich unbekannte, aber wirklich großartige Fernsehserie „Nathan Barley“. Alles dazu ist auf der Seite britcoms.de zu finden.
Danke. Als Anspieltipp: „Rise of the Idiots“. Und zum Thema „Verkrachter, älterer Typ regt sich über die Verflachung der Jugendkultur auf“ habe ich auch noch was: Henry Rollins mit Shirin Neshat im Mitschnitt einer Arte-Sendung. Enthüllend, wie der selbst ernannte „Dinosaurier“ bei der Konfrontation mit vermeintlichen Hipstern im Plattenladen die Arbeit der Exil-Iranerin in ein Verhältnis zu deren Lifestyle setzt – was politisches Engagement im gleichen Spielzug zur Style-Frage macht.
Nicht vergleichbar ist aber der selbstgerechte Henry Rollins auf Arte mit der eher verzweifelten Figur Dan Ashcroft in „Nathan Barley“. Da müssen neue (Anti-)Hipster-Kategorien her.
Stimmt, es herrscht überhaupt Forschungsbedarf zu diesem Thema. Ich schlage vor, wir gründen das Tom Wolfe International Institute for Hipster Studies. Als Sponsoren versuchen wir große Sportartikelhersteller zu gewinnen. Dass wir deren Geld verpulvern, um Projekte wie „Krass konsumkritische Street-Art von Sprayern, die eigentlich in die Werbung wollten (aber keinen Job fanden)“ zu finanzieren, feiern wir dann als Sieg der Subversion.