Vorige Woche gab die Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) in einer Pressemitteilung (Edit: nicht mehr vorhanden, Link gelöscht) bekannt, ihre Jury habe die „Wörter des Jahres 2010“ gewählt. Auf der Liste stehen unter anderem „Cyberkrieg“ und „Vuvuzela“, auf Platz eins aber landete der Neologismus „Wutbürger“.
Entscheidend bei der Auswahl, schreibt die GfdS, sei „nicht die Häufigkeit eines Ausdrucks, sondern vielmehr seine Signifikanz und Popularität“ für die Debatten des zurückliegenden Jahres. „Wutbürger“ bringe die „Empörung“ der Deutschen über eine Politik zum Ausdruck, die ihre Interessen und Wünsche ignoriere.
Der Sprachwissenschaftler Anatol Stefanowitsch meint allerdings, die GfdS habe beim Gebrauch des Wortes „Wutbürger“ durch „zahlreiche Zeitungen und Fernsehsender“ etwas missverstanden. Polemik gegen Protest stehe dahinter, der Versuch, die „Protestierenden pauschal abzuurteilen“.
Tatsächlich hat es in der populärgewordenen aktuellen Verwendung der Spiegel-Autor Dirk Kurbjuweit ins Spiel gebracht, und der hat es verwendet, um eine wenig nachvollziehbare Parallele zwischen Sarrazin-Unterstützern und Stuttgart-21-Gegnern zu ziehen, in dem er beide als „buhende“, „schreiende“ und „hassende“, „konservative“ und über die Politik „zutiefst empörte“ Gestalten darstellt – so eine Art deutschem Analog zur amerikanischen „Tea-Party-Bewegung“.
Weiterlesen: (1) Die Kritik von Stefanowitsch an der Entscheidung der Gesellschaft für deutsche Sprache in seinem Blog Sprachlog. (2) Der „Spiegel“-Essay, in dem Dirk Kurbjuweit „Parallelen“ zwischen Stuttgart-21-Gegnern und Sarrazin-Anhängern zieht.