Rivva habe ich etwa drei Jahre lang verfolgt. Irgendwann hatte sich der News-Aggregator in meine tägliche Info-Routine eingeschlichen, zwischen den Blick auf den Perlentaucher und die Panikattacken angesichts des von ungelesenen Artikeln überquellenden RSS-Readers.
Rivva wirkte dagegen schön übersichtlich, Blog-Debatten waren nicht vollständig, aber nachvollziehbar abgebildet: WikiLeaks, JMStV, Google Street View. Und von mancher lustigen Selbstdemontage von Mitgliedern der Piratenpartei hätte ich sonst gar nicht erst erfahren. Die Hysterie-Wellen, die auf der Website regelmäßig aufschlugen, waren zumindest als massenpsychologisches Phänomen interessant.
Anderes wollte ich lieber nicht wissen: Mac-Fanboys pushten jedes iDingsbums ins Ranking, Geek-Blogs lobten Urlaubsvideos (unter dem Code-Namen „Timelapse“) in höchste Höhen („großartig“, „fabelhaft“), Street-Art mit lahmer Konsumkritik schaffte es gelegentlich, die Kategorien Kultur und Politik gleichzeitig zu bespielen, und dass Opis Herrenwitze in manchen Twitter-Kreisen zu Retweet-Orgien führen, sollte verdrängt und verschwiegen, nicht aber auf jeden Bildschirm plakatiert werden. (Hatte ich Freunden jenseits der Netzkultur den News-Aggregator empfohlen, hoffte ich jedes Mal, Rivva möge einen guten Tag haben.)
Aber für diese „Top“-Themen, denen Blogger und Tweet-Tipper durch vielfache Verlinkung Aufmerksamkeit verschafften, konnte doch der Rivva-Bot nichts. Der tat nur seine Pflicht.
War schön dich zu programmieren, Rivva, auch wenn du blöder Bot häufiger eine Schraube locker hattest. Mach’s gut, alter Freund.
Diese knappe Botschaft schickt ihm Frank Westphal hinterher. Der Gründer und Betreiber des Einmannunternehmens hat nach vielen Krisen und Neuanfängen seit 2007 gestern sein Aus bekannt geben. Es klingt diesmal endgültig.
Rivva, 2007-2011
Dem Abschied war seit Ausklang des vergangenen Jahres eine Änderung der Strategie vorausgegangen. Mehr amerikanische Artikel gelangten auf die Startseite. Ich fand das zunächst schade – gerade weil ich sonst über den Feed-Reader und Twitter vor allem englischsprachige Quellen verfolge. Rivva las ich als deutschsprachigen „Lokalteil des Internets“. Dazu passten auch der Blogger-Klatsch und die „Jetzt red i“-Choleriker, die ab und zu zünftig Ohrfeigen an „Internetausdrucker“ auszuteilen hatten.
Mit den Entwicklungen in Ägypten zeigte sich jedoch der Vorteil der Öffnung hin zu Websites aus dem Ausland. Auf ein Mal: Außenpolitik. Als beherrschendes Thema auf Rivva! Ich konnte es gar nicht fassen. Und freute mich auf mehr.
Dazu wird es leider nicht mehr kommen.
Frank Westphal wünsche ich für seine weiteren Vorhaben viel Erfolg!
Eine Link-Sammlung (da man das Aggregieren jetzt selbst erledigen muss):
- „Blogaggregator geht offline Rivva: Ein Fluss versiegt“ (Süddeutsche)
- „Das Ende von Rivva?“ (Netzpolitik)
- „Das Ende von Rivva: Und was jetzt?“ (Netzwertig)
- „Ende von Rivva: Alternativen und geringer Verlust“ (Written in Basic)
Eher zufällig ausgewählt und an schon Bekanntem orientiert, halb blind, wie man als Bot eben ist.
Nachtrag, 9. Februar 2011: Ein Feature von Rivva, das ich auf alle Fälle vermisse, ist das Bookmarklet. Durch das erhielt man einen Überblick über Blog- und Twitter-Reaktionen auf ausgewählte Artikel. Ich bin auf der Suche nach einer Alternative.
Nachtrag, 7. Juni 2011: Frank Westphal versucht es noch mal, Rivva geht mit Vermarkter und Sponsor neu an den Start.