Die Freiluftsaison sagt bald Tschüss. Dann wird es nicht mehr so abwegig anmuten, sich in einen abgedunkelten Saal zu quetschen und anderen Menschen beim Reden zuzuhören. In den folgenden vier Wochen kommen in Berlin einige interessante Vorträge und Konferenzen zu Netzthemen zusammen. Hier ist meine Liste, die bis Mitte Oktober reicht. Ich werde sie ergänzen, falls eine weitere Veranstaltung in meinen Terminkalender drängt.
Acht Stunden Netzpolitik an der Berliner Volksbühne
Der erste Tipp kommt sehr kurzfristig: Am morgigen Freitag, 21. September, findet „Das ist Netzpolitik!“ statt, die jährliche Konferenz von Netzpolitik.org. Start ist um zehn Uhr. Mir erscheint ambitioniert, wie viel Programm das Team um Markus Beckedahl in nur acht Stunden untergebracht hat. Mit dabei: die Piraten-Politikerin Julia Reda, die sich im Europäischen Parlament gegen die EU-Urheberrechtsreform engagiert, und der DSGVO-Early-Adopter Max Schrems. Die Vorträge haben eine Länge von 20 bis 30 Minuten und folgen, wenn ich die Übersicht richtig lese, nahtlos aufeinander. Das wird ein erster Härtetest nach dem vortragsfreien Sommer. Wer sich noch keine Karte gesichert hat, muss sein Glück an der Kasse der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz versuchen.
Kritische Informatik an der Technischen Universität
Mit einer Dauer von drei Tagen lässt sich die Konferenz „Brave New World – Gestaltungsfreiheiten und Machtmuster soziotechnischer Systeme“ deutlich mehr Zeit. Vom 28. bis 30. September geht es in den Redebeiträgen an der TU Berlin (Mathematikgebäude, Straße des 17. Juni 136) um Themen wie Cybersicherheit, künstliche Intelligenz und staatliche Überwachung. Organisiert wird die für Besucher kostenlose Veranstaltung vom Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung e. V. (FIfF). Das FIfF bittet um eine Anmeldung.
Vorgemerkt habe ich mir vor allem Vorträge am Samstag, 29. September, etwa Katika Kühnreichs Beitrag „Kybernetik und Kontrolle – Von der autoritären Nutzung von Daten in China und anderswo“ um 20.30 Uhr. Auf die Politikwissenschaftlerin bin ich durch ihren Aufsatz „Soziale Kontrolle 4.0? Chinas Social Credit Systems“ aufmerksam geworden. Darin schreibt Kühnreich auch über die Rolle von Gamification in der staatlichen Überwachung.
Auf Twitter verfolge ich das Ringen um die Datenschutzgrundverordnung seit März. Die Front zwischen Befürwortern und Gegnern steht unverrückt. Ein Best-of der Debatte und ihrer Eskapaden verspreche ich mir um zwölf Uhr von dem Beitrag „Die DSGVO: Eine kommentierte Reise durch die (Un)Tiefen des juristischen Feuilletons“. Die Datenschützerin Kirsten Bock und der Richter Malte Engeler „begeben sich anhand ausgewählter Tweets auf eine kommentierte Twitter-Reise durch die Untiefen des DSGVO-Wahnsinns“, lockt die Ankündigung. Engeler verfasst gelegentlich auch Gastbeiträge für Netzpolitik.org. Aktuell über die Frage, ob ein Social-Media-Anbieter wie Facebook auf das Grundrecht der Meinungsfreiheit verpflichtet werden kann wie der Staat.
Plattformökonomie im Kino International
Das Alexander von Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft (HIIG) setzt mit zwei Veranstaltungen die Vorlesungsreihe „Making Sense of the Digital Society“ fort. Am 24. September spricht der britische Stadtforscher Stephen Graham ab 19 Uhr über „Die Politik der digitalen Infrastruktur in der Stadt“ (Säälchen, Holzmarktstraße 25).
Ich habe mir einen anderen Abend herausgepickt: Shoshana Zuboffs Vortrag am Dienstag, 16. Oktober, ist mit „ÜberwachungsÂkapitalismus und Demokratie“ betitelt und dreht sich um räuberische Plattformökonomie. Veranstaltungsort ist das Kino International an der Karl-Marx-Allee 33. Was die amerikanische Ökonomin unter „Überwachungskapitalismus“ versteht, erklärt sie in einem kämpferischen Artikel, der 2016 von der „FAZ“ veröffentlicht wurde. Eintritt verlangt das Humboldt Institut nicht, aber eine Anmeldung ist erforderlich.
Update: Das Humboldt Institut hat Shoshana Zuboffs Vortrag am 16. Oktober abgesagt. Ein neuer Termin sei für Anfang 2019 geplant.