Breaking News fragen nicht, ob man empfangsbereit ist. Ich stehe im Supermarkt am Kaffeeregal, als das Dudelradio, dem die Kunden ausgesetzt sind, sein Programm für eine Eilmeldung unterbricht: Selbstmordattentat in Tschahar Dara, im Norden Afghanistans, mindestens zwei Bundeswehrsoldaten tot sowie fünf Kinder.
Die Situation ist irreal: Der Pfandautomat zwei Meter weiter gibt plötzlich Alarmgeräusche von sich – er ist überfüllt. Die Kundin, die ihn füttern wollte, blickt sich gestresst um, bald nähert sich ein Angestellter, um ihr zu helfen. Seine Kollegen, mit denen er gerade noch am Plaudern war, grinsen breit. Haben sie auch die Nachricht gehört? Wahrscheinlich sind sie den Soundbrei gewohnt, der von Schichtbeginn bis zu Schichtende aus versteckten Lautsprechern quillt, computergenerierte Songlisten und gelegentlich News – das Schlimmste aus der ganzen Welt, häppchenweise aufbereitet.
Ich suche nach Reaktionen in den Gesichtern anderer Kunden. Gibt es nicht. Eine junge Frau an der Kühltheke widmet ihre ganze Aufmerksamkeit der Beschriftung eines Joghurtbechers, wie eingefroren wirkt sie in dieser Handlung. (Oder hat das Auseinanderfallen von Tonspur und Bildspur in diesem Supermarkt meine Zeitwahrnehmung durcheinandergebracht?) Vielleicht verspricht das Produkt, ihre Abwehrkräfte zu stärken. Doch wie setzt man sich gegen die Dauerbeschallung mit Nachrichtenpartikeln zur Wehr, die immer noch das politisch-moralische Subjekt adressieren, das man sein soll, sein möchte?