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Vorbild New Economy: Die Geschichte meines Erfolges

20. Januar 2009

Wer mag noch mal Gründer-Spirit spüren wie in der Dotcom-Ära? Der folge mir. Hier ist mein Crashkurs in fünf Schritten.

Erfreuliches hat sich zum Jahreswechsel ereignet: Ihre Majestät Google hat beim vergangenen Update den PageRank dieses Blogs von null auf eins erhöht. Es ist keine große Überraschung. Wusste ich doch von Anfang an, dass dieses Blog eines Tages mit Ruhm überhäuft werden wird.

Die Vorfreude wurde nur leicht getrübt durch die Aussicht auf das, was der Erfolg so mit sich bringt: falsche Freunde, zu viel Sex, Drogensucht, mein Gesicht auf den Seiten der Klatschpresse – und am Ende noch wie Don Alphonso ein Blog bei der „FAZ“.

Make money online!

Der Sturz nach ganz oben wird auf ein Mal passieren. Die monatelange Lektüre von Tipps zur Suchmaschinenoptimierung (SEO) auf „Make money online!“-Beraterseiten, zu Unrecht als Schlangenöl von Taugenichtsen für Nichtsnutze gedisst, wird sich unverhofft auszahlen. Hier ein glücklicher Wurf bei der Auswahl der Keywords, da ein Beitrag, der sich als viral erweist, alle Welt verlinkt mich, und schon schießen die Einschaltquoten in unerhörte Höhen. Es ist wie im Rausch.

Dumm wäre es, darauf kein Geschäft zu gründen.

Mein Start-up-Imperium in fünf Schritten

Mein Plan ist einfach, aber infernal. Ich werde mich an den Erfolgsmodellen von Start-up-Unternehmen zu Zeiten der New Economy orientieren, und zwar in fünf Schritten:

1. Brainstorming. Vom geliehenen Geld meiner Eltern und von Freunden (Banken sind ja bei der Vergabe von Krediten seit dem Dotcom-Crash ein wenig spießig geworden) werde ich mir zunächst einen Urlaub leisten. Zur Inspiration.

Perfekt: mit dem Notebook am Strand von Gomera sitzen, dort mit einem alten Hippie über das Fließen philosophieren. Wobei der an kosmische Energien denkt, ich selbst eher an Bares.

2. Standortsuche. Zurück in Berlin, werde ich schnell ein Ladenlokal in Prenzlauer Berg oder Mitte anmieten. Womöglich einen ehemaligen Old-School-Fleischer, dem gerade aufgrund der Neubesiedlung des Viertels durch Biofleisch-Neobürger der Saft ausgegangen ist.

(Wie man weiß, gedeihen die Innovationen der neuen Zeit in den Ruinen der alten am besten. Die Reste getrockneten Blutes, die noch in den Fugen der Fliesen kleben, werde ich später geschickt in meine „Blut, Schweiß und Tränen“-Motivationsreden einbauen.)

3. Personalsuche. Als Erstes muss ein Webdesigner her. Ausgehungerte Grafiker aus dem „Wir nennen es Arbeit“-Prekariat finden sich in Berlin an jeder Straßenecke. Ich werde in den Cafés nach einem Ausschau halten, der stundenlang vor demselben Getränk abhängt, während er sich an seinem Klapprechner geschäftig gibt – das ideale Opfer für Dumpingpreise. (Eine Schwierigkeit: bei der „Honorar“-Verhandlung mit dem „digitalen Bohemien“ das Kichern zu vermeiden.)

Kostenbewusst geht die Kopfjagd weiter. Ein munterer Trupp Praktikanten muss her! Dazu werde ich eine Anzeige charmant retromäßig gestalten. Auf dem Stellenangebot, das ich nicht nur in Jobbörsen, Foren und sozialen Medien poste, sondern auch in allen geisteswissenschaftlichen Fakultäten der Hauptstadt aushänge (dort sitzen die Hoffnungslosen, die am leichtesten zu ködern sind), wird zu lesen sein:

Praktikum! Deine Chance in der Internet Branche!!!

(Profi-Tipp: Nur drei, höchstens vier Ausrufezeichen in der Headline, so wirkt es seriöser. Ein Deppenleerzeichen muss sein. Dadurch fühlen sich die Studies überlegen und tappen leichter in die Falle.)

Dauer: 6 Monate, Voraussetzung: belastbar, kommunikativ, Organisationstalent, eigener Laptop, eigener Pkw nicht von Nachteil, Vergütung ist Verhandlungssache.

(Letzteres ist ein Witz für Insider. „Verhandeln“ dürfen die Frischlinge gern, aber mit Mama und Papa. Von mir gibt es natürlich nichts.)

4. Ausstattung. Was an Geld vom Urlaub übrig ist, werde ich in die Internetverbindung, Stellwände, Arbeitsplatten und Böcke vom Baumarkt investieren. Außerdem in – ganz wichtig! – bedruckte Team-T-Shirts mit Firmenlogo und demütigenden Durchhalteparolen, die meine Mitarbeiter während der Arbeitszeit (das heißt mindestens zwölf Stunden am Tag) zu tragen haben.

Und am besten auch in ihrer knappen Freizeit. Sollen Nerds und Tastendrücker ruhig von Open Source schwärmen, meine Philosophie heißt Open End: Wenn man die Leute so weit gebracht hat, dass sie nicht mehr nach Hause wollen, weil dort eh nichts und niemand mehr auf sie wartet, hat man erreicht, wovon die Sozialisten träumten: die Erschaffung des neuen Menschen.

5. Start up! Und dann wird das Geldverdienen richtig losgehen. Mit was? Hm, na ja, verdammt, mir wird schon was einfallen.

Fluchtpunkt Gomera

Wenn mein Plan scheitert, nur Rechnungen in die Agentur kommen, aber keine Aufträge, geht es mit der Notreserve ruck, zuck wieder nach Gomera. Zur Inspiration. Der Hippie wartet schon. Meinen Webdesigner, der ständig anruft und fragt, wo seine Honorare bleiben, muss ich leider abwimmeln: „Sorry, es geht gerade nicht, ich verstehe kein Wort – die Wellen sind zu laut!“ Was soll ich ihm sonst sagen, diesem geldgierigen Spießer?

Epilog ohne Smiley

Nichts an dieser Geschäftsidee und ihrem Scheitern ist wirklich erfunden. Ich habe nur meine Beobachtungen in der Gründerszene seit Ende der 90er-Jahre ein wenig zusammengefasst. Dazu Erlebnisse, von denen mir Versuchskaninchen in der neuen Arbeitswelt erzählten. Auch die Anekdote von den Telefonaten mit dem zahlungsunwilligen Chef auf Dauerurlaub wurde mir so zugetragen. Hier kein Smiley.

Update: 8. Juni 2019 Kategorie: Texts for Robots Stichworte: Berlin

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