„Blood Trail“ (2008), eine Dokumentation des Briten Richard Parry über den amerikanischen Kriegsfotografen Robert King, steht auf meiner To-do-Liste. Der Trailer ist nach der guten alten Shock-and-Awe-Taktik des Filmmarketings produziert, als würde damit ein Spielfilm beworben: Drastisches im Schnelldurchlauf, viele Actionbilder, Explosionen, vor den audiovisuellen Attacken und danach wurden ruhige Einstellungen montiert – zum Ein- und Ausatmen.
Verrät das etwas über die Machart von „Blood Trail“? Dann könnte man annehmen, die Macher der Dokumentation über 15 Jahre im Leben des Kriegsfotografen hätten eine Lehre aus Anthony Swoffords Golfkrieg-Buch „Jarhead“ gezogen: Es gibt keinen Antikriegsfilm, die Darstellung von Schrecken wirkt nicht automatisch abschreckend.
„Jarhead“: Der Irakkrieg hat den Sound von Vietnam
Swofford schildert in seinem autobiografischen Roman, wie sich die Marines seiner Einheit, nachdem sie den Marschbefehl für die Operation Desert Storm an den Persischen Golf erhalten haben, versammeln, um sich alle möglichen Kriegsfilme anzusehen, darunter auch solche, denen gern das Label Antikriegsfilm aufgeklebt wird. Die Soldaten geraten dabei in äußerste Erregung.
Jede noch so grausame Inszenierung von kriegerischen Handlungen und den Zerstörungen, die sie verursachen, birgt für daran interessierte Gemüter das Versprechen einer Grenzerfahrung, des Austestens, was man noch zu ertragen vermag. Und kann somit Mittel einer militärischen Aufrüstung der Subjektivität werden. Womöglich gilt dies auch für ambitionierte Kriegsberichterstattung.
Eine der spektakulärsten Szenen in Sam-Mendes‘ Verfilmung von „Jarhead“ (2005) zeigt die Einheit der US-Soldaten, die der Film von der Ausbildung bis zum Einsatz begleitet, wie sie durch die apokalyptische Landschaft brennender Ölquellen marschiert, auf der Suche nach dem irakischen Feind – der jedoch war schon zuvor von der Luft aus vernichtet worden.
Ein US-Kampfhubschrauber überfliegt bald die Truppe. Er beschallt das Inferno darunter mit „Break On Through (To The Other Side)“ von den Doors, die schon mit „The End“ den passenden Song für den pyrotechnischen Auftakt von Francis Ford Coppolas psychedelischen Vietnamkriegsfilm „Apocalypse Now“ (1979) geliefert hatten. Einer der Marines reagiert verärgert auf die Musikauswahl: „That’s Vietnam! Can’t we even get our own music.“
Acid-House und Häuserkampf
Der „Blood Trail“-Trailer macht ein Gegenangebot: Wenn es schon hauptsächlich um Kriege in den 90er-Jahren geht, Bosnien, Tschetschenien, bei denen der Fotograf sein Leben riskierte, dann bietet sich doch House zur Untermalung an, der wichtigste Sound des Rave-Jahrzehnts. Und so wurde das Stakkato von Gewaltbildern aus dem Tschetschenien-Krieg mit Josh Winks Acid-House-Klassiker „Higher State Of Consciousness“ synchronisiert.
Nicht mehr der Schlamm von Woodstock Ende der 60er schafft das Territorium eines Ausnahmezustands, der zur symbolischen, aber ekstatisch-physiologisch erfahrbaren Übergangszone zwischen Popkultur und Krieg wird, sondern die Erinnerung an wilde Partys in abbruchreifen Häusern und Industriebrachen. Sahen die Nichtorte, an denen Techno sein Quartier aufschlug, nicht auch ein wenig aus wie Grosny?