Vorfreude und Befürchtungen hielten sich die Waage, wenn ich in meiner Heimatstadt, 100.000 Einwohner groß mit Eingemeindungen, ins Kino ging. Oft war der Ton zu leise, doch schlimmer noch: Nicht selten saßen Leute mit intensiven Körperausdünstungen um einen herum. Dann fraß sich der Geruch von Ammoniak durch die verbrauchte Luft zu den Nasenschleimhäuten. Ammoniak ist ein Abbauprodukt von Urin.
Ein weiterer Kino-Schrecken war in der bayerischen Provinz kaum anzutreffen: der Hühne, der sich vor einen setzt. Anders in Berlin. Dort rennen genügend lange Kerls herum, die mir mit meinen 1,74 Meter (so steht’s zumindest im Ausweis) die Sicht versperren. Ich bin deshalb gewarnt: Es ist ratsam, einen Platz zu wählen, vor dem schon ein Mensch von durchschnittlicher Körpergröße sitzt – um nicht hinterher, wenn der Film bereits läuft, durch einen riesenhaften Spätankömmling überrascht zu werden.
Schlachtenlärm einer Macht der Liebe
Vor einiger Zeit sah ich mit einer Freundin Michael Hanekes „Das weiße Band“. Auch diese Filmvorführung lief nicht ohne Störung ab: Meine Begleitung wurde bald unruhig, denn der Mann neben ihr gab rhythmisch Geräusche von sich. Nachdem sie den Platz gewechselt hatte, weil sie es nicht mehr aushielt, nahm ich es ebenfalls wahr: ein zugespitztes, kurzes Schniefen durch die Nase.
Es war der Keim eines Kicherns, wie ich bald herausfand, denn die penetranten Töne waren immer dann zu hören, wenn sich irgendwas auf der Leinwand abspielte, das er kommentieren wollte. Meine Theorie: Dieses schniefende Kommentieren war ein Dialog mit seinem Sitznachbarn, Freund oder Lover – Ausdruck eines Machtgefälles in ihrer Beziehung. Die Töne sollten wohl sagen:
Hey, ich habe die Anspielung, den Witz, den Umschlag in der Handlung verstanden. Ich bin nicht so dumm, wie du immer denkst, du kannst mit mir ruhig in einen anspruchsvollen Film gehen!
Wenn es so war, haben wir dadurch wieder mal ein Argument für die Abschaffung der Macht und der Ungleichheit unter den Menschen – damit andere einen Film ohne Störung durch Schlachtenlärm von Beziehungskonflikten ansehen können.