Als die erste Verfilmung von Lewis Carrolls „Alice in Wonderland“ zu sehen war, wirkten bewegte Bilder auf der Leinwand selbst noch wie Magie. Nun wurde der Stummfilm von 1903 wieder restauriert.
Pünktlich zum Start von Tim Burtons „Alice in Wonderland“ (IMDb) in Londoner Kinos hat das British Film Institute die erste Verfilmung von Lewis Carrolls Kinderbuch ins Netz gestellt. Das Werk der Regisseure Cecil Hepworth und Percy Stow war ursprünglich zwölf Minuten lang. Von dem stark beschädigten 35-Millimeter-Material konnten nur acht Minuten restauriert werden.
1903, als „Alice in Wonderland“ (YouTube-Direktlink) gezeigt wurde, waren seit der ersten Filmvorführung überhaupt gerade mal acht Jahre vergangen. Wie in dem Film-Guide Screenonline zu lesen ist, gab es „Alice“ damals nicht in voller Länge, sondern nur in Ausschnitten zu sehen, sozusagen als Nummer in einer Revue.
Das Medium Film war neu und hatte noch nicht zu der Form gefunden, die wir heute kennen. Dass sich Bilder auf der Leinwand bewegten, war faszinierend genug. Das Publikum bekam im Varieté-Programm eine bunte Mischung verschiedener Themen vorgesetzt: neben kurzen Stummfilm-Sequenzen auch Auftritte von Musikern und Akrobaten.
Der Tricktechnik zum Trotz: Die Grinsekatze grinst nicht
Deshalb wirkt „Alice in Wonderland“ episodenhaft. Die einzelnen Szenen sind zum Teil um Filmtricks herum aufgebaut, die allein den Inhalt bilden (was gar nicht so weit vom heutigen Special-Effects-Kino entfernt ist). Der Zuschauer, der die literarische Vorlage von Lewis Carroll nicht kannte, konnte sich zumindest am Spektakel erfreuen.
Wie Alice schrumpft und dann zur Riesin wächst, ist tatsächlich gut gelungen. Ich hätte gern die Gesichter der Leute gesehen, die zum ersten Mal solche Leinwandtricks vor Augen hatten: Willkommen im Wunderland des Kinos!
Als Vorbild für den Film dienten die Original-Illustrationen des Briten John Tenniel für die Buchausgabe von 1865. Tenniel hat auch politische Karikaturen für Zeitungen gezeichnet. Am bekanntesten in Deutschland ist die vom Rücktritt Bismarcks als Reichkanzler im Jahr 1890: „Der Lotse geht von Bord“.
Die gute alte Zeichnung zeigt sich in einer Hinsicht dem Medium Film in seinem damaligen technischen Stand überlegen. Die Tricktechnik schaffte es zwar, die Grinsekatze ins Bild zu zaubern.
Aber vom Grinsen hält der fette Kater, der die Rolle der Chesire Cat übernommen hat, eher weniger. Vielleicht stand davon nichts in seinem Vertrag.